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Die "Mutter aller ID-Theorien" (2)
Für die vorgestellten Kategorien
werden Lehrschritte entwickelt. Sie repräsentieren innere und äußere
Lernbedingungen, die erforderlich sind, um sich die verschiedenen Arten
erlernbarer Fähigkeiten anzueignen.
Lehrschritte:
- Aufmerksamkeit gewinnen
Das gelingt am besten durch schnelle Reizwechsel (z.B. Gestik, Anheben
der Stimme, visuelle Demonstration). Das, was die Aufmerksamkeit fesseln
soll, sollte auf den Inhalt abgestimmt sein.
- über die Ziele der Instruktion informieren
Wenn Lernenden die Instruktionsziele klar sind, bauen sie eine Erwartungshaltung
auf, die normalerweise während der gesamten Lernzeit anhält
und durch die Rückmeldung am Ende des Lernprozesses bestätigt
wird.
- Vorwissen aktivieren
Zu Beginn des Unterrichts werden Lernende angeregt, sich an früher
Gelerntes zu erinnern, das im Zusammenhang mit dem neuen Lernstoff steht.
- Darstellung von Lehrinhalten mit charakteristischen
Merkmalen
Die charakteristischen Merkmale jedes Lerngegenstandes sollen deutlich
ausgeprägt sein bzw. hervorgehoben werden (durch z.B. Überschriften,
Fettdruck, Kursivschreibung usw.).
- Lernen anleiten
Jeder Lerngegenstand sollte so bedeutungsvoll wie möglich vermittelt
werden. Das kann geschehen durch z.B. Verwendung konkreter Beispiele
für abstrakte Begriffe, Verknüpfung wichtiger Gedanken in
einem Lehrstoff mit Inhalten, die den Lernenden bereits vertraut sind,
Hinweise auf sprachliche Zusammenhänge, Verwendung von Bildern,
räumlichen Anordnungen, Behaltenstechniken, Darbietung sich deutlich
unterscheidender konkreter Beispiele und Gegenbeispiele eines Begriffs
oder einer Regelanwendung und verbale Beschreibung von Problemlösungsstrategien.
Bei der Lehrzielkategorie "Einstellungen" wird die Beschreibung
oder Demonstration menschlicher Vorbilder für Handlungsentscheidungen
empfohlen, Lernende sollen die positive Verstärkung des Modellverhaltens
beobachten können. Bei der Vermittlung motorischer Fähigkeiten
sollte unmittelbar und fortlaufend die praktische Ausführung der
entsprechenden Bewegung verlangt werden, gefolgt von Rückmeldung.
- Ausführen/Anwenden lassen
Lernende sollen das neu erlernte Verhalten jeweils ausführen, um
zu zeigen, ob die entsprechende Fähigkeit dauerhaft erworben wurde.
Bei der Kategorie "sprachliches Wissen" etwa kann dies durch
die Wiedergabe in eigenen Worten geschehen, bei kognitiven Fähigkeiten
z.B. durch Anwendung eines Begriffs oder einer Regel auf Beispiele,
die im Unterricht nicht verwendet wurden. Kognitive Strategien sollten
innerhalb neuartiger Aufgaben eingesetzt werden. Bei "Einstellungen"
eignen sich unbekannte Situationen, in denen der Lernende Entscheidungen
treffen muss. Bei motorischen Fähigkeiten sollte dem Lernenden
Gelegenheit gegeben werden, den gesamten erlernten Handlungsablauf vorzuführen.
Generell sollten informative Rückmeldungen gegeben werden, die
Lernenden müssen über den Grad der Korrektheit ihrer Leistungen
informiert werden.
- Leistung kontrollieren und beurteilen
Um sicherzustellen, dass Lernende das jeweilige Lehrziel erreicht haben,
müssen sie die neu erworbene Fähigkeit an neuen Übungsaufgaben
oder Beispielen unter Beweis stellen.
- Behalten und Transfer sichern
Zusätzliche Übungen an unterschiedlichen Beispielen und Aufgaben
fördern i.d.R. das Behalten erlernter Fähigkeiten. Empfohlen
wird hierbei, unterschiedliche Strategien des Instruktionsaufbaus für
verschiedene Abstraktionsniveaus zu verwenden. Generell sollte mit der
Bestimmung allgemeiner Ziele begonnen werden, die dann kategorisiert
und sukzessive spezifiziert werden. Die allgemeinen Lehrziele werden
so operationalisiert, dass sie für Aufgabenanalysen herangezogen
werden können. Die Abfolge der Lehrziele wird durch Expertenurteil
bestimmt. Schließlich wird eine hierarchische Aufgabenanalyse
der Ziele auf Basis der Lehrzielkategorie "kognitive Fähigkeit"
durchgeführt. Kriterium sind dabei stets die grundlegenden Fähigkeiten,
die beherrscht werden müssen, um das entsprechende Lehrziel erreichen
zu können bzw. die das Erreichen des Lehrziels erleichtern. Danach
wird eine Sequenz festgelegt, die stets vom Teil zum Ganzen fortschreitet:
zuerst werden die elementaren Inhalte vermittelt, die einen niedrigen
Rang in der Hierarchie aufweisen, dann folgen zunehmend komplexere Kombinationen
dieser Bestandteile. Diese Art hierarchischer Analyse und Sequenzierung
ist nur für den Bereich kognitiver Fähigkeiten geeignet.
Bei der Instruktionsplanung sollte darauf geachtet werden,
was der Lernende als Ergebnis der Instruktion tun kann.
Für die Sequenzierung innerhalb der einzelnen Lehrzielkategorien
gibt es einige Heuristiken:
Bei der Kategorie "sprachlich repräsentiertes Wissen" ist
die Reihenfolge der Darbietung eher unwichtig, wichtig ist der bedeutungshaltige
Kontext. Innerhalb der Kategorie "kognitive Fähigkeiten"
müssen die hierarchisch untergeordneten Fähigkeiten jeweils
zuerst gelernt werden. Kognitive Strategien setzen sowohl kognitive Fähigkeiten
wie die Kenntnis bestimmter Fakten voraus. Bei der Lehrzielkategorie "Einstellungen"
müssen ebenfalls bestimmte Fakten und Bezeichnungen bekannt sein,
um Entscheidungen treffen zu können. Motorische Fähigkeiten
setzen die Beherrschung von Teilfähigkeiten voraus; die zu erwerbende
Gesamtfähigkeit sollte intensiv geübt werden.
Diese ID-Theorie enthält keine Hinweise für
medienspezifische Designentscheidungen. Sie eignet sich jedoch auch für
die Entwicklung multimedialer Kurse, insbesondere wenn die Lernenden neu
in einen Lehrstoff eingeführt werden sollen.
(vgl. Niegemann. 2001. S. 27 ff.)
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